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Leben mit Geschichte(n) schafft IdentitätWas nicht zusammengetragen wird, geht schnell verloren. Dar- um wurde der ehemalige Gemeindepräsident Arturo Reich in seiner Pensionszeit zum Chronisten.Sein Buch „SILVAPLANA Chronik einer Gemeinde in Graubünden“ versteht sich als ein Nachschlagewerk, die geschichtlichen Entwicklungen sind thematisch geordnet. In diesem Jahr wird es bereits 18-jährig. „Und je älter es wird, umso mehr Bedeutung bekommt es“, sagt er. Denn er ist überzeugt, dass man wissen sollte, woher man kommt. Die Dörfer waren ja schon da, bevor man in sie hineingeboren wurde und hier zur Schule ging. Sie haben ihre Geschichte. Und die lohnt es sich zu kennen. Einer- seits kann man besser verstehen, warum etwas so geworden ist, wie es ist. Andererseits kann man die Leistungen und den Pioniergeist früherer Ge- nerationen wertschätzen. Und zudem kann man auch feststellen, dass die „alten Zeiten“ nicht einfach die „guten alten Zeiten“ waren. Auch die stellten ihre Herausforderungen an die Zeitgenossen von damals. Und worauf man auch stossen kann, ist die Erkenntnis: „Im Engadin sind wir ja sowieso fast alle Zugezogene.“ Er hält es mit einem Lachen fest, weil es auch ihn selbst betrifft, obwohl er in Champfèr geboren und romanischer Muttersprache ist. Sein Vater kam in den Zwanzigern ins Tal. „Eigentlich ist es ja schon noch verrückt. Da sagen wir, wir seien Engadiner und kä- men von hier. Dabei sagt die eigene Geschichte, dass wir von woanders herkommen.“ So oft stehen Migrationsbewegungen im Hintergrund von dem, was später zur Heimat wurde. Engadiner Familien haben unter Um- ständen Wurzeln in Spanien, Sizilien oder oft in nahe gelegenen italieni- schen Gebieten. Dass Dörfer im Engadin sozusagen im Durchzug standen und wie es sie in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung geprägt hat, lässt sich gerade am Beispiel des Passdorfes Silvaplana zeigen. Da stand das Sust- haus mit dem Sustmeister, der in der Portgesellschaft eine wichtige Rolle einnahm. Dieser bestimmte, wer mit welcher Fuhr über den Pass fahren durfte, und er musste schauen, dass alle ein paar Rappen verdienen konn- ten...Geschichten leben weiter, wenn sie erzählt werden. Verändern sich Institutionen wie Familien, Dörfer und Kirchen so, dass sie diesen Ge- schichten selbst fremd werden, werden Dorfchroniken umso bedeutender. Silvaplana hat Glück.Arturo Reich26 preschaint das Magazin