Page 29 - Preschaint - Nummer 3
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Uschi EichelbergerUschi Eichelberg, was lesen Sie gerade?Im Moment lese ich den Roman „Transit der Venus“ von Shirley Hazzard. Da kommen nach dem Krieg zwei australische Schwestern als Waisen nach England und versuchen sich ein neues Leben aufzubauen und zwar so verschieden, wie sie auch untereinander sind. Der ganze Roman folgt ihnen über dreissig Jahre. In schöner Sprache übrigens.Und welche Bücher gehören in Ihre „Lese- biographie“?Ich bin in der Kriegszeit geboren. Da hat man gelesen, was gerade so rumlag. Meine beiden älteren Brüder liebten vor allem Abenteuergeschichten. Und so las ich eben auch Tom Sawyer, Oliver Twist und Unmengen von Karl May. Eine eigentliche Jugendliteratur wurde von den Verlagen erst in den Fünfzigern aufgebaut. Auch Übersetzungen aus den USA wie „Der Fänger im Roggen“ haben mich fasziniert. J.D. Salinger zeigt, wie ein Sechzehnjähriger mit seinen Idealen in der Welt der Erwachsenen scheitert. Später las ich Bücher von Lenz, Böll, Grass u.a., die die Zeit des Zweiten Weltkriegs aufarbeiten. Einmal kam ich mit einer Schrift von Sartre nach Hause. Mein Vater meinte aber, der sei ein Kommunist und Nihilist und nahm mir das Buch weg. Es gab auch Angst, Bücher könnten uns verderben.Gibt es ein Buch, das Ihnen besonders ans Herz gewachsen ist?Eines ist mit Sicherheit der Roman „Gespräch in Sizi- lien“ von Elio Vittorini. Da geht einer, der inzwischen in Norditalien lebt, für drei Tage zurück zu seiner Mut- ter nach Sizilien und begleitet sie, wie sie kranke Leute im Dorf besucht. Während dieser Gänge erfährt er mehr über die Leute im Süden und auch mehr über die Ehe seiner Eltern. Die Gespräche sind so lebendig, dass man als Leserin ganz automatisch dazugehört. Man kann die Armut buchstäblich riechen! Und spürt auch den Druck des Faschismus. Und trotzdem ist es auch heiter. Ein wunderbares Buch über Rückkehr und Erinnerung. Ich habe es nach dreissig Jahren nochmals gelesen. Und wieder hat es mich gepackt. Was macht für Sie ein Buch zu einem guten Buch?Es muss mich thematisch und sprachlich interessieren und in mir etwas auslösen, worüber ich dann gerne nachdenke. Manchmal recherchiere ich dann auch noch etwas im Internet. Lesen hat mit Neugierde zu tun. Man kann so versuchen, die Welt besser zu verste- hen und aus dem eigenen engen Horizont herauszu- kommen. Darum reise ich auch gerne mit Literatur in ein anderes Land – wie jüngst in den Kaukasus – oder ich gehe mit einem Buch auf den Muott’ Ota nebenan. Das gibt mir innere Ruhe.In Uschi Eichelbergs langem Leben gehören Bücher ganz einfach dazu. Was kann man erle- ben, wenn man liest? – Wir sind bei der Biblio- thekarin zu Besuch und sitzen bei ihr in einer alten Arvenstube im Fex.preschaint das Magazin 27


































































































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