Page 38 - Preschaint Nummer 5
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                Ganz normal
Ein Bild wie viele andere von Kindergärten in den Mittsechziger- jahren: eine Wandtafel, «Bäbigeschirr», Kinderstühle, leuchtende Augen und schön frisierte Haare.
Und doch ist es anders. In deren Mitte sitzt Tsultrin Shabga. Ein Kind aus Tibet, das im November 1963 in einer bitterkalten Nacht in Samedan ankam, nach einer langen Reise.
Einer der rund dreissig Geflüchteten in Samedan, die das tibeti- sche Hochtal nach der Kulturrevolution in der Heimat mit dem Hochtal des Engadins haben tauschen müssen.
Sie wurden von den Einheimischen mit Applaus am Samedaner Bahnhof abgeholt, damals, an diesem kalten Abend.
Sie lernten Romanisch und Deutsch und beteten in ihrem eigenen Gebetsraum.
Sie waren Senn am Chalandamarz und beeindruckten die Ein- heimischen mit ihrer Höflichkeit.
Die Nachbarschaft wurde mit grossem Respekt gepflegt, mit grosser Achtung voreinander.
Es war ein natürliches Miteinander.
Ganz normal. Und das in den Mittsechzigerjahren.
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