Page 40 - Preschaint Nummer 5
P. 40

                   Schwärmen.
Schön und sinnvoll.
Nicht alle Vögel schwärmen. Raubvögel tun es nicht. Überhaupt ist das Bedürfnis nach Nähe nach Vogelart verschieden. Rauchschwalben, die gerne in Ställen und Scheunen nisten, sind einander gerne nahe. Möwen unter sich ken- nen gar keine Angst vor Nähe. Ganz im Ge- genteil zu den Raubvögeln, die eigene Bewe- gungsräume vorziehen. Auch die Witterung bestimmt die Bedürfnisse: Bei extremer Kälte ballen sich die kleinen Schwanzmeisen zu Ku- geln. Und in der Brutzeit sind die gefiederten Freunde lieber allein. Barbara Gut erzählt zwar von der Vogelwelt. Und denkt dabei doch auch an unser menschliches Verhalten. „Die Schneefinken sind meine Lieblinge“, sagt sie, „die sind sehr sozial. Bei ihnen konnte ich kei- nen Futterneid beobachten. Treffen sie sich an einer Futterstelle, picken sie etwas für sich auf und machen dann auch den anderen Platz.“
Vögel beobachtet sie seit Kind. Sie lernte an der Seite ihrer Eltern im zürcherischen Herrli- berg, Augen und Ohren offen zu halten. Da gab es einen Garten mit einem alten Nuss- baum, mit vielen blühenden Sträuchern über dem See. Und überall Vögel. Später lebte sie mit Geschwistern viele Jahre im Fextal. „Da habe ich einmal sehen können, wie Kolkraben einen Bartgeier ‚verhassten’, wie man unter Ornithologen sagt: Sie belästigten ihn mit ag- gressiven Anflügen, bis dieser ins Fedoztal hin- überwechselte.“ Seit die gelernte Laborantin pensioniert ist, ist sie noch mehr mit dem Feld- stecher unterwegs und ist auch Mitglied des „Vogelschutz Engadin“. Der Verein pflegt die einheimische Vogelwelt mit dem Schutz von Lebensräumen, unterhält Projekte und sensibi- lisiert mit Vorträgen für ihre Anliegen.
Barbara Gut schwärmt von den Vogelschwär- men. „Da braucht es keinen Diktator, nieman- den, der befiehlt. Die einzelnen Tiere haben eine individuelle Intelligenz dafür!“ Man spricht von einer in der Evolution entwickelten Verhaltensweise. „ Was sich dann als faszinie- rende Choreographie mit stets neuen Überra- schungen am Himmel zeigt, beginnt damit, dass am Boden einzelne Vögel kurz auffliegen. Die Unruhe geht mehr und mehr auf die ande- ren über. In der Wolke wechseln Flugpositio- nen häufig. Um einen Vogel gruppieren sich rund sieben andere. Zusammenstösse gibt es trotz der Schnelligkeit keine. Jeweils bis gegen sieben Vögel orientieren sich an einem Vogel und reagieren in Millisekunden. Die Bewegung ist tendenziell gegen die Schwarmmitte ge- richtet. Sehr wendig sind die Stare mit ihren kurzen Flügeln und einem kurzen Schwanz. Warum aber die ganze Inszenierung? – Im Schwarm sind Vögel geschützt. Ein Raubvogel kann bei den minimalen Distanzen gar nicht richtig fliegen und fällt unten aus dem Schwarm heraus. Darum sammeln sie sich auch vor den grossen Flugreisen vom Norden in den Süden und vom Süden in den Norden. Sie sammeln sich auch, um einander in der Futtersuche zu unterstützen. „Man spricht von der Schwarmintelligenz der Vögel“, verrät Bar- bara Gut, „zusammen ist man stärker“ – und ist wieder bei uns Menschen: „Da hat jemand eine Idee, jemand anders greift sie auf, entwi- ckelt sie weiter ... und am Schluss steht dann eine neue KMU da.“
   38 preschaint das Magazin





























































































   38   39   40   41   42