Page 45 - Preschaint Nummer 8
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                «Ferien? – Da wäre mir langweilig» Sein Tagesablauf ist gesetzt. Er wird gesetzt, von seinen Geissen. Die müs- sen gemolken werden, auch am Morgen. «Ich stehe zwar nicht mehr so früh auf wie früher, aber um Viertel vor sechs stehe ich im Stall», erzählt Simon Willy. Zumindest, wenn die drei Pfauenziegen und die zwei Bünd- ner Strahlenziegen nicht auf der Alp sind. Im Sommer ist es ein wenig anders. Aber genau dann, wenn die Sonne früher aufgeht und länger scheint, könne er aber besser aufstehen. Ob er manchmal davon träume, später aufzustehen zu können? Simon überlegt. «Nein, eigentlich nicht, ich bin ja eh wach». Und ob er von Ferien träume? Hier muss er nicht lange überlegen: «Nein, da wäre mir sofort langweilig.» Er sei einmal mit seiner Frau in die Ferien gefahren, da habe er schon am zweiten Tag wieder zum Hof und seinen Geissen nach Hause gewollt. Bis zu sieben Liter Milch kann eine Geiss pro Tag geben. Milch, die er am Morgen - wie am Abend - in seiner Küche sofort zu Geissenkäse fürs Hoflä- deli seiner Tochter verarbeitet. Die Käse sind oft verkauft, bevor sie in der Form sind. «Gestern ist einer extra vom Unterengadin nach Champfèr gefahren, um einen zu kaufen», erklärt er weiter. Aber nur mit einem ganz leichten Stolz. Simon ist nicht so einer. Sein Leben - er wird 72 Jahre alt im Mai - ist geprägt von unspektakulärer Arbeit als Kleinbauer und Pöstler und als Loipenverkäufer. Gemeinsam mit seiner Frau molk er viele Jahre Milchkühe. Jetzt sind es Mutterkühe. Und halt die Geissen. Sie sind eindeutig seine liebsten Tiere auf dem Hof, auf dem es auch schicke und ausgefallene Hühner (und einen gekürten Hahn), zwei Esel und einige Kaninchen hat. «Sie haben Charakter», sagt er und meint damit vor allem die Pfauenziegen. «Es sind die Jungtiere, die es ihm wirklich angetan haben: «Es gibt nichts Herzigeres als kleine Geis- sen». Für diese hat er eigens eine «Schoppen-Station» gebaut. Aber manch- mal werden sie auch von seinen Grosskindern mit der Milchflasche gefüt- tert. Die verstehen dann auch nicht ganz, dass diese herzigen Tiere fortgegeben oder als Ostergitzi in einem Backofen landen. «Aber so ist das Leben», sagt Simon, so unspektakulär und geerdet, wie er ist.  preschaint das Magazin 43 


































































































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