Page 26 - Preschaint Nummer 5
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 Unter demselben Dach
Sobald die warmen Tage da sind, wird man sie ab und wann wieder sehen, draussen am Steintisch im Garten, vor dem Haus am Bach: Erika Gaudenzi und Agathe Cimadom.
Vermutlich nicht allein, vielleicht zusammen mit einem Besuch oder mit Nachbarn. Denn im Quartier um den Chaunt Battaglia von Champfèr pflegt man untereinander einen guten Kontakt. Agathe ist für das Gemütliche, das ist ihr Naturell. Typisch darum auch, was sie in ihrer Dialektfär- bung vom baselbieterischen Laufental sagt: „Wir leben da in einer ganz besonderen Ecke. Wir haben es einfach gut miteinander. Und das passt zur Kirche gleich obenan!“ Stimmt, die Kirche San Rochus liegt auch in der Nachbarschaft. Und auch die ist wegen ihrer familiären Atmosphäre beliebt. Sie wird gehegt als Kostbarkeit. Auch von Erika, die sie öffnet und abends wieder sorgsam schliesst. Sorgfalt ist Erika in Person. Wir sitzen bei ihr in der Stube am Tisch. Grüne Gläser stehen da. „Die sind schon so alt, dass sie bereits wieder modern sind. Die haben wir 1961 zur Verlobung bekommen. Und kein einziges ist mir bis jetzt kaputt gegangen!“, sagt Erika mit Nach- druck. Sorgfalt ist vermutlich auch das, was es möglich macht, dass zwei selbstständige Frauen mit ihren ausgeprägten Persönlichkeiten eine inzwischen elfjährige Nachbarschaft in überdurch- schnittlich gutem Einvernehmen leben können. Sorgfalt braucht eine klare Haltung und Struktur wie auch eine beherzte Hingabe zu dem, was ist.
Was die beiden Frauen einst ins Gespräch geführt hatte, waren ihre beiden Hunde. Agathes „Luna“ hatte herausbekommen, dass sich die Türen der Metzgerei Gaudenzi in St. Moritz Dorf automa- tisch öffneten, ging man genug nahe an sie heran. Und auch, dass man so – fast ebenso automatisch – ein Fleischhäppchen überreicht bekommt. Und die „Cilli“ von Erika und Enrico flüchtete, durch einen Stromschlag von einem elektrischen Zaun- hüter aufgeschreckt, bis vor Agathes und Karls Haustür. Näher noch ist ihr Kontakt dann geworden, seitdem beide verwitwet sind. Und als dann Erika den Talvo in der Chesa Gaudenzi mit Wohnungen ausbauen liess, zog schon bald Agathe als eine neue Mieterin ein. „Bis jetzt hatte sie noch nie ein blaues Auge abbekommen!“, lacht Erika, „gäll, Agath!“ – „Nein, wirklich, wir respektieren einander einfach. Und auch die Privatsphäre“, unterstreicht Agathe. Und dann kommen sie ins Erzählen. Weil Agathe noch in einem Kleidergeschäft in St. Moritz arbeitet, kocht Erika für beide das Mittagessen. „Samstags und sonntags hat die Küche aber frei“, will die Köchin klargestellt haben. Gemeinsam füttern sie eine Kasse, mit der sie haushälterisch umgehen. Die Kasse führt die ehemalige Geschäftsfrau. Alles wird aufgeschrieben. Grosse Einkäufe machen sie
 





























































































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