Page 20 - Preschaint Nummer 8

«Vielleicht geht ja morgen die Welt unter, deine Stimmung ist danach» Aus dem Alltag der lutherischen Ehe anno 1529 Hier stehe ich nun also am Waschtrog, Katharina von Bora, entlaufene Nonne, geehelicht vom entsprungenen Mönch. Weisst du noch, wie die Leute damals spotteten, als wir geheiratet haben? Martinus Luther, Doktor der Theologie, Bibelübersetzer, Lehrer der Studenten und berühmter Reformator, heiratet entlaufene Nonne ... Ich hatte keine Wahl: entlaufene Nonne, schon vierundzwanzig, keine Schönheit, und arm war ich auch. Und nun bist du auch noch Vater unse- rer fünf Kinder geworden. Wenn ich nun also hinter dem Waschtrog stehe, dann gehen mir allerlei Gedanken durch den Kopf. Gestern zum Beispiel. Da warst du uns un- lustig. Nicht einmal Tee wolltest du trinken, den ich dir zubereitet hatte. Aber gemeine Schafgar- be, gesiedet in Rotwein, das hilft gegen Unlust. Unlust ist die schlimmste Krankheit, ich dulde sie nicht unter unserem Dach. Und dabei schreibst du deine Kirchenlieder: «Nun freut euch, liebe Christengmein» und «Lasst uns fröhlich sprin- gen». Ja, trink! Freu dich! Spring fröhlich! Martinus, du frisst zu viel in dich hinein. Und alle deine Plagen schiebst du auf den Teufel, aber gestern Mittag, da hast du einfach nur zu viel Kohl gegessen! Die Widersacher des Teufels sind Freude und Zuversicht. Den Teufel treibt man mit Lachen aus dem Haus! Ach Martinus, wenn du mir nur glauben wolltest! Ja, Martinus, auch ich bin traurig, dass unser Jun- ge gestorben ist. Aber du machst es dir zu schwer, wenn du immer alles verstehen willst. Wir müssen auch hinnehmen. Das lernt man in der Natur. Aber du gehst nicht zu den Bäumen, du bleibst in deiner Studierstube sitzen und suchst in den Büchern, was man draussen von den Blättern ablesen kann. Du fragst zu viel, Martinus! Die meisten Fragen hat Gott in seiner Schöpfung schon längst beantwortet. 18 preschaint das Magazin